„Achtsamkeit“ im Unternehmen

Achtsamkeit im Unternehmen„Achtsamkeit“ ist mittlerweile zum Modewort geworden, wird mehr und mehr inflationär gebraucht. Mancher wittert mittlerweile beim Thema „Achtsamkeit“ im Unternehmen die Gefahr, es ginge in Wahrheit um eine verdeckte Maßnahme eines Optimierungswahns, der Stress, ständige Erreichbarkeit und Überstunden geschickt kaschieren soll. Doch das ist ursprünglich ganz sicherlich nicht gemeint, wenn es um die Gestaltung einer achtsamen Unternehmenskultur geht.
Im englischen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff „Achtsamkeit“ sehr viel differenzierter umgegangen und zwischen „attentiveness“, „care“, „regardfulness“ und „mindfullness“ unterschieden. Jon Kabat-Zinn, emeritierter Professor an der University of Massachusetts Medical School, hat sich ein Leben lang sehr erfolgreich dafür engagiert, die Achtsamkeitspraxis in Medizin und Gesellschaft zu etablieren. Er definiert „Achtsamkeit“ als eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit, die absichtsvoll ist, sich auf den gegenwärtigen Moment (statt auf die Vergangenheit oder die Zukunft) bezieht, und nicht wertend ist. Es geht allerdings nicht nur darum, Emotionen, Gedanken und Gefühle achtsam wahrzunehmen, sondern auch um die Fähigkeit, sich von automatischen Reaktionsmustern durch übende Praxis zu distanzieren. Die bekannteste Achtsamkeitsübung ist die Meditation, sowohl im Sitzen als auch im Gehen. Der achtsame Umgang lässt sich dann freilich auch darauf übertragen, E-Mails nur im Block in einem festgelegten Zeitfenster zu bearbeiten oder eine Besprechung bewusst mit einer Atemübung zu beginnen.

Achtsamkeitsübungen helfen nachweislich, Burnout und psychischen Erkrankungen vorzubeugen. Wer stärker auf sich, seine Gefühle und seine Umgebung achtet, lernt rechtzeitig Grenzen zu setzen. Zudem führt die Achtsamkeitspraxis zu geistiger sowie körperlicher Entspannung, damit auch zu weniger Fehlern, erhöhter Kreativität und größerer Zufriedenheit.

Am Ende lässt sich der betriebs- und volkswirtschaftliche Nutzen selbstverständlich auch klar beziffern. Die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsausfälle ist mit 39,1 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen mit 13,3 Tagen (BKK Gesundheitsreport 2015). Unternehmen, die Achtsamkeitspraxis auf ihre Agenda setzen, fördern die Gesundheit, vor allem auch durch einen wissenschaftlich nachgewiesenen besseren Zugriff auf neuronale Ressourcen in Stress -und Konfliktsituationen.

In diesem Zusammenhang sei auch der Film „From Business to Being“ empfohlen, der kürzlich auf DVD erschienen ist. Er erzählt die Geschichte dreier Führungskräfte, die sich auf die Suche nach Wegen aus dem „Hamsterrad des Getriebenseins“ gemacht haben – und bietet eine sehr gute Diskussionsgrundlage rund um das Thema „Achtsamkeit“.

Zuletzt noch ganz konkret drei Achtsamkeitsübungen:

1. Sammeln Sie bei Ihrem Waschritual am Morgen, bei der Fahrt zum Arbeitsplatz oder der Zubereitung einer Mahlzeit möglichst viele Eindrücke und achten Sie ganz bewusst auf Kleinigkeiten wie die Beschaffenheit der Zahnbürste oder den Geruch des Haarshampoos.

2. Verlangsamen Sie für zehn Minuten bewusst Ihre Bewegungen und Ihr Tun. Gehen Sie langsamer durch die Wohnung als üblich, setzen Sie sich langsamer hin – was auch immer Sie tun, verrichten Sie es langsamer als gewohnt. Wie geht es Ihnen damit bewusst 10 kmh langsamer zu fahren als erlaubt ist?

3. Schließen Sie die Augen und atmen Sie bewusst ein und aus. Zählen Sie nun die unterschiedlichen Geräusche und Töne, die an Ihr Ohr dringen. Auf wie viele unterschiedliche akustische Eindrücke kommen Sie?